Veranstaltungen | 10. Nov. 2021

Der Historiker als Dandy? Gespräch über Leben und Werk des Ernst Kantorowicz

Podiumsgespräch am Donnerstag, 2.12.21, mit Thomas Gruber und Martina Hartmann

Ernst H. Kantorowicz (1895-1963) war ein Ausnahme-Mediävist. Nicht nur aufgrund seiner Publikationen: seine 1927 erschienene Biografie des Stauferkaisers Friedrich II. wurde ein Bestseller, seine The King’s Two Bodies von 1957 zum Klassiker – wenn auch etwas später in Deutschland als andernorts. Vielmehr sind es sein Lebensweg und sein Habitus – Draufgänger, Kosmopolit, Dandy - die ihn in vielem vom landläufigen Bild des Mediävisten abheben. 


Als Sohn eines der größten deutschen Likörfabrikanten in Posen aufgewachsen, wurde Kantorowicz im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet, aber nach einer Affäre mit der Geliebten des Oberbefehlshabers zurückbeordert. Nach dem Krieg nahm er in seiner Heimatstadt an Kämpfen gegen die Polen, in Berlin gegen die Spartakisten und in München gegen die bayerische Räterepublik teil. In der Weimarer Republik war er leidenschaftlicher Nationalist und bevorzugter Jünger des Dichters Stefan George. 1933 erhob er als Professor in Frankfurt mutig seine Stimme gegen das Regime und knüpfte nach seiner Zwangsemeritierung in Oxford und Berlin neue Kontakte, u. a. zu Maurice Bowra, Isaiah Berlin, Marion Gräfin Dönhoff und Albrecht Graf von Bernstorff. Während der Novemberpogrome entging Kantorowicz nur knapp der Verhaftung und floh nach Berkeley. Dort entließ man ihn, als er sich 1950 weigerte, einen antikommunistischen »Treueeid« zu unterzeichnen. Kantorowicz wurde an das »Institute for Advanced Study« in Princeton berufen, wo er bis zu seinem Tod neue Freundschaften, u. a. mit Erwin Panofsky und Robert Oppenheimer, schloss. Seit 1949 war Kantorowitcz korrespondierendes Mitglied der Zentraldirektion der MGH.


In seiner auf lange Zeit maßgeblichen Biografie erzählt der amerikanische Historiker Robert E. Lerner die Geschichte eines großen Intellektuellen, dessen Leben und Epoche ebenso faszinierend waren wie seine Arbeit. Dr. Thomas Gruber, Übersetzer der Lerner-Biographie, wird mit Prof. Dr. Dr. h.c. Martina Hartmann, Präsidentin der MGH, in einem Podiumsgespräch das Phänomen Ernst Kantorowicz erkunden.

Dr. Thomas Gruber ist Post-doctoral Fellow an I Tatti – The Harvard University Center for Italian Renaissance Studies. Nach dem Studium in Heidelberg und München sowie der Promotion am Merton College in Oxford absolvierte er Berufsstationen im Bundestag und als Berater der öffentlichen Hand. Seit 2017 ist er an I Tatti für die fünf Publikationsreihen und Konferenzen verantwortlich. Neben Frühformen von Unglauben und Atheismus widmet er sich der Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, v.a. dem Leben Ernst H. Kantorowicz‘ sowie Florenz als Ort von Exil und Austausch zwischen 1918 und 1944.
Seine Übersetzung von Robert Lerners Kantorowicz-Biographie für Klett-Cotta erreichte im März 2020 den 4. Platz der Sachbuch-Bestenliste von ZDF, Die ZEIT und Deutschlandfunk Kultur.

Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 2.12.2021, um 19 Uhr statt. Geplant ist die Veranstaltung vor Ort im Institut der MGH mit digitaler Übertragung. Nähere Informationen und die Zugangsdaten erhalten Sie nach Anmeldung spätestens 3 Tage vor der Veranstaltung. Um Ihre Anmeldung wird gebeten per E-Mail an annette.marquard-mois@mgh.de.