Während der Schließung unseres Instituts stellen wir Ihnen in loser Folge Stücke aus unserem Archiv und unserer Bibliothek vor. Hier finden Sie Raritäten wie auch Dokumente, die die Entwicklung der Monumenta Germaniae Historica prägten. Die MGH wünschen viel Spaß auf der Entdeckungsreise!
Am 30. September 1943, 9:45 Uhr, legten deutsche Soldaten Feuer in den Räumen der Villa Montesano im Hinterland von Neapel. Das Gebäude beherbergte zu diesem Zeitpunkt die ausgelagerten wichtigsten Bestände des Staatsarchivs Neapel: 866 Holzkisten und weitere unverpackte Materialien. In wenigen Minuten brannte die Villa lichterloh. Was die Soldaten sicher nicht wussten, war, dass sie das einzig erhaltene Originalregister des letzten Stauferkaisers Friedrich II. (1194–1250) vernichteten.
Kaiser Friedrich II verbrachte bekanntlich die meiste Zeit seines Lebens im heutigen Italien. Für Süditalien hatte die Kanzlei des Staufers umfangreiches Schriftgut produziert, außer Rechnungen auch zahlreiche Register. Das meiste davon ging schon im Mittelalter verloren. Durch Auszüge auf Pergament, welche die Anjou um 1300 für ihren neben Neapel zweiten Regierungssitz Marseille anlegten, weiß man von 214 Stücken für die Jahre 1230 bis 1248. Nur ein einziger Band der kaiserlichen Originalregister hatte sich erhalten - aus Baumwollpapier in einem handlichen Format von ca. 19 cm Breite und 26 cm Höhe.
Eine kritische Edition dieser singulären Quelle zur Staufergeschichte vertrauten die MGH 1925 Eduard Sthamer (1893–1938) an, der seit 1919 als Bibliothekar und Archivar bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin angestellt war. Als Sthamer jedoch überraschend einem Herzinfarkt erlag, war die Edition noch nicht vollendet. Wilhelm Heupel (1914–1943), ab 1938 fester MGH-Mitarbeiter der Abteilung Epistolae, sollte sie fortsetzten. Heupel ließ deshalb 1940 das Kaiserregister in Neapel fotografieren, wurde aber bald zum Wehrdienst eingezogen und fiel. Seine Fotos gelangten nicht mit anderen MGH-Materialien aus Berlin nach Bayern, sondern lagerten nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften in (Ost-)Berlin. Nach der Wiedervereinigung kamen sie 1992 ins MGH-Archiv nach München.
Abgebildet ist hier Folio 117r neuer Zählung. Man erkennt die älteren Blattzählungen 116 und 114. Es handelt sich um den Beginn der zweiten Lage vom Anfang Oktober 1239. Oben und rechts ist das Blatt so stark beschädigt, dass sich trotz Parallelen in anderen Einträgen der Text nicht vollständig rekonstruieren ließ. Sogar der Adressat des Schreibens bleibt unbekannt. Vermutlich war es ein Amtsträger auf Sizilien. Erwähnt werden nämlich die Städte Messina und Augusta, letztere benannt nach dem Kaiser, der sie durch Zwangsumsiedlungen Anfang der 1230er Jahre als Flottenstützpunkt gegründet hatte. Friedrich II. beantwortete konkrete Fragen zu Kastellen, zu Viehherden, zur Ernennung von Notaren sowie Advokaten usw. Boten, die zwischen dem Hof und dem Amtsträger hin und her gingen, sollten nur moderat entlohnt werden; 20 Goldunzen seien zu viel gewesen (dritte und zweite Zeile von unten): non tales tamen, quales Iohannem Cioffi facere cohegist[i] ad mandatum tuum nuntio tuo ad nostram presentiam destinato, viginti uncias auri. Unten sieht man die Notiz eines Archivars aus dem Jahre 1786.
Dank der Fotografien konnten die MGH die vom Istituto Storico Italiano per il Medio Evo aufgrund von Abschriften und älteren Drucken besorgte Neuausgabe des Registers wesentlich unterstützen, die Cristina Carbonetti Vendittelli 2002 mit umfangreichen Erläuterungen und Registern vorlegte. Hier können Sie diese Kostbarkeit aus dem Archiv der MGH selbst durchsehen.
A. Marquard-Mois
Hier können Sie diese Kostbarkeit aus dem Archiv der MGH selbst durchsehen.
Mehr zu dieser MGH-Archivalie siehe Beitrag von Karl Borchardt: Durch Fotografie für die Nachwelt gerettet. Foto vom Briefregister Kaiser Friedrichs II. (1239/40), in: Mittelalter lesbar machen. Festschrift 200 Jahre Monumenta Germaniae Historica, 2019, pp. 88-90.