Die multispektrale Untersuchung der Jenaer Handschrift Ms. Bos. q. 19.
Die Monumenta Germaniae Historica konnten dank der Aufgeschlossenheit und Kooperation der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (EMEL = Early Manuscripts Electronic Library) vom 15. - 18.02.2016 in Jena Spezialaufnahmen der Handschrift gemacht in Anwesenheit von Prof. Dr. Martina Hartmann und Benedikt Marxreiter M.A. Mithilfe modernster Geräte wurden eine ganze Reihe von Seiten des Jenaer Codex mit Licht, d.h. elektromagnetischen Wellen ausgesuchter Wellenlängen, beleuchtet und dabei mit speziellen Kameras fotografiert.
Das Verfahren wird als Multispektralanalyse bezeichnet und meint eine spezielle Fotografiertechnik, bei der man es sich zunutze macht, dass manche Bereiche einer Handschrift wie palimpsestierte Stellen unter bestimmten Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums anders, d.h. mitunter besser sichtbar werden. Die Belichtung erfolgt mit zwei speziellen LED-Panels, durch die sich bestimmte Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums gezielt auswählen lassen. Fotografiert wird mit hochleistungsfähigen Multispektralkameras. Gegenüber konventionellen Digitalkameras, die nur drei Kanäle berücksichtigen (sog. RGB-Bereich), haben diese den Vorteil, ein viel breiteres Lichtspektrum (vom UV- über den RGB- bis zum Infrarotbereich) abzudecken. Dadurch werden über das abfotografierte Objekt erheblich mehr Informationen gesammelt als dies mit einer normalen Fotografie oder dem bloßen Auge möglich ist, so dass unter Umständen Bereiche von Handschriften (d.h. insbesondere Tintenreste von palimpsestierten Stellen) wieder sichtbar werden, die unter "normalen" Lichtverhältnissen nicht mehr entzifferbar sind.
Für die Frutolf-Handschriften hat dies zu wichtigen Neuerkenntnissen geführt, denn seit den Forschungen Harry Bresslaus von 1896 galt es als unstrittig, dass das Ende von Frutolfs Weltchronik in der Jenenser Handschrift vom Fortsetzer getilgt worden sei (fol. 184-186), der dann seinen eigenen Text darüber geschrieben habe. Die Auswertung der Aufnahmen zeigt jedoch, dass dem nicht so ist. Außerdem ergeben sich an tatsächlich radierten Stellen im Codex wichtige Einblicke in Frutolfs Arbeitsexemplar bzw. in seine Arbeitsweise.
Die großartige Zusammenarbeit mit dem Hamburger Sonderforschungsbereich "Manuskriptkulturen in Afrika, Asien und Europa" und der Handschriftenabteilung der Thüringer Landes- und Universitätsbibliothek haben so ein wichtiges Editionsvorhaben der MGH ein entscheidendes Stück vorangebracht. Die Nutzung dieser Technik für die Untersuchung weiterer Autographe wäre wünschenswert.