Diesen Herbst und Winter laden die MGH zu sechs Online-Veranstaltungen ein: Zwei Vorträge in der Reihe „zurück zu den Quellen“ befassen sich zum einen mit Johannes Trithemius und seinen Cathalogus illustrium virorum und zum anderen mit unorthodoxen, verbotenen Texten im Frühmittelalter. Zum Abschluss der Constitutiones-Edition Kaiser Ludwigs IV. wird Bilanz hinsichtlich der verfassungsgeschichtlichen Einschätzung des Kaisers gezogen. In der Reihe „Vorträge zur Geschichte der Mittelalterforschung“ werden Biografien und zeitgeschichtliche Zusammenhänge von drei Personen der jüngeren Vergangenheit beleuchtet, die mit den MGH in Verbindung standen. (Informationen zur Anmeldung für alle Veranstaltungen am Ende des Beitrags).
Donnerstag, 30.10.2025, 18 Uhr: Die Biogramme des Trithemius im Reich Maximilians I. – von der monastischen Reform zur humanistischen Nationalisierung
Online-Vortrag (Zoom) von Prof. Dr. Arno Mentzel-Reuters
An der Universität Heidelberg bildete sich im späten 15. Jahrhundert unter Kanzler und Bischof Johann von Dalberg (1455–1503) ein Gelehrtenkreis, der Humanismus nach italienischem Vorbild mit monastischen Reformen (Karmeliten, Bursfelder Union) verband. Gemeinsamer Bezugspunkt war die vom Basler Konzil vertretene und von Dominikanern bestrittene Lehre von der ‚Unbefleckten Empfängnis‘, die eine theologische Alternative zum scholastischen Wegestreit eröffnete (via antiqua vs. via moderna).
In diesem Umfeld verfasste der Sponheimer Abt Johannes Trithemius (1462-1516) auf Anregung von Jakob Wimpheling im Cathalogus illustrium virorum Germaniae 321 Lebensbilder, die ein bis ins Frühmittelalter reichendes Panorama deutscher Gelehrsamkeit entwarfen. Daraus erwuchs eine Vision von ‚Germania‘ als geistlich wie weltlich exzellenter Gelehrtenrepublik, verortet auf den Achsen Utrecht–Basel und Cambrai–Erfurt. Diese Utopie blühte kurz im Umfeld Maximilians I., wurde aber bald von der Reformation verdrängt.
Arno Mentzel-Reuters leitet das MGH-Archiv und war die vergangenen 25 Jahre Bibliotheksleiter der MGH. An der Universität Augsburg lehrte er Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters. Schwerpunkte seiner Publikationen sind Mittelalterrezeption im 19./20. Jahrhundert, Deutscher Orden, Humanismus und Reformation und die Buchkultur im Industriezeitalter.
Donnerstag, 27.11.2025, 18 Uhr: Abschluss der Constitutiones-Edition Kaiser Ludwigs IV. (1314-1347)
Online-Vortrag (Zoom) von Prof. Dr. Michael Menzel
Band 7,3 vervollständigt die Constitutiones-Bände über Ludwig den Bayern (Const. 5-7, 1314-1347). Die Gesamtreihe (911-1378) steht schon sehr nahe vor ihrer Vollendung, es fehlen noch die letzten Bände für Karl IV. Eine Bilanz über die Urkundenedition Ludwigs lohnt sich, weil sie die verfassungsgeschichtliche Einschätzung des Kaisers erlaubt, die vorher aufgrund der Unvollständigkeit des Materials nicht sicher möglich schien. Ludwig war der letzte in der Königsreihe seit Rudolf von Habsburg, die als kurze Epoche (1273-1347) den Höhepunkt der spätmittelalterlichen Wahlmonarchie darstellte. Er setzte die fürstliche Wahl als ausschlaggebend für das König- und Kaisertum in den Mittelpunkt und schloss die päpstliche Einflussnahme bei der Legitimierung der Macht im Reich konsequent aus. Der liturgische Rahmen der Krönungen war allenfalls begleitend, nicht aber herrschaftsbegründend. Mit Karl IV. ging die kurze Epoche der eigentlichen Wahlkönige zuende.
Michael Menzel war 2003 bis 2022 Akademie-Professor für Mittelalterliche Geschichte und Landesgeschichte an der Humboldt-Universität und Leiter der Berliner Arbeitsstelle der Monumenta Germaniae Historica. Seit 2012 ist er gewähltes Mitglied der Zentraldirektion. In Würdigung seiner Verdienste als Leiter der Berliner Arbeitsstelle und seiner Editionen in der Reihe Constitutiones wurde Michael Menzel 2022 die Freiherr vom Stein-Medaille der MGH verliehen.
Donnerstag, 11.12.2025, 18 Uhr: „Das bischen Bürokratie“. Lotte Hüttebräuker (1901–1945) – Mediävistin, Direktionsassistentin, Nationalsozialistin
Online-Vortrag (Zoom) von Prof. Dr. Claudia Märtl
Lotte Hüttebräuker war die erste Frau, die fest angestellt an den MGH mitwirkte; mit der Edition der Constitutiones Karls IV. und organisatorischen Aufgaben betraut, war sie rund ein Jahrzehnt lang (1926-1936) eng mit dieser Institution verbunden. In der wissenschaftsgeschichtlichen Forschung wird sie heute vor allem wegen ihrer Nähe zum Nationalsozialismus erwähnt. Quellen zu ihrem Lebensweg sind nur spärlich überliefert, was mit ihrem Freitod in Berlin im April 1945 zusammenhängen dürfte.
Der Vortrag begibt sich auf eine Spurensuche, um die Tätigkeit und Leistung Lotte Hüttebräukers für die MGH zu erhellen, die ein interessantes Beispiel für die beruflichen Perspektiven von Wissenschaftlerinnen und für die Lebensbedingungen der MGH-Mitarbeiter in der Weimarer Republik bietet. Dabei sollen auch die Aussagen zu ihrer politischen Haltung überprüft und eingeordnet werden.
Claudia Märtl war 1995 bis 2001 Professorin für mittelalterliche Geschichte an der Technischen Universität Braunschweig, 2001 bis 2020 Professorin für mittelalterliche Geschichte mit Schwerpunkt Spätmittelalter an der Ludwig-FFMaximilians-Universität München und 2012 bis 2014 kommissarische Präsidentin der MGH. Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die lateinische Überlieferung des Mittelalters und die Geschichte des 15. Jahrhunderts.
Donnerstag, 29.1.2026, 18 Uhr: Purifying Texts in the Early Medieval West
Online-Vortrag (Zoom) von Prof. Yitzhak Hen, PhD (The Hebrew University of Jerusalem)
Throughout Late Antiquity and the early Middle Ages, a vast corpus of potentially dangerous texts was dismissed as unorthodox and unauthorised by Christian scholars and policy makers. These texts exposed their readers to unorthodox systems of thought and belief, and hence should have been eradicated. And yet, although these texts and the world-view they represented were repeatedly questioned, denounced and condemned, they were still read, copied and commented upon by a select group of Christian scholars, who clearly realised the implications of what they were doing. Given the fact that the attitude towards these texts remained negative and reproachful, their preservation and use seem even more intriguing. Yitzhak Hen explores some of the mechanism that allowed the preservation, copying, and reading of such texts in the late-antique and the early medieval West.
Prof. Yitzhak Hen ist seit 2018 Direktor des Israel Institute for Advanced Studies an der Hebrew University of Jerusalem. Im März 2025 wählte ihn die Zentraldirektion der MGH zum korrespondierenden Mitglied. Yitzhak Hens bevorzugtes Forschungsgebiet ist das Frühmittelalter, insbesondere die Merowinger- und Karolingerzeit. Unter anderem legte er paläographische Studien vor sowie eine hebräische Übersetzung von Einhards Vita Karoli Magni, Studien zu Gregor von Tours und zu frühmittelalterlicher Liturgie. Bei den MGH wird er eine Neuedition der Vita Gregorii Turonensis Odos von Cluny herausgeben.
Donnerstag, 12.2.2026, 18 Uhr: Zwischen Ahnenerbe und Misogynie. Der Lebensweg von Maria Neumann (1920–1989) bei den MGH und darüber hinaus
Online-Vortrag (Zoom) von Jeremias Fonari, M. A.
Im Rahmen der Aufarbeitung der Institutsgeschichte befasst sich Jeremias Fonari mit dem Werdegang der ehemaligen MGH-Mitarbeiterin Maria Neumann (1920–1989). Zunächst im Auftrag des SS-Ahnenerbes unter der Leitung des MGH-Präsidenten Theodor Mayer tätig, arbeitete sie in der Nachkriegszeit kurzzeitig bei den Monumenta, bevor sie in den Lehrberuf gedrängt wurde. Der Vortrag rekonstruiert diese bislang unbeachtete Biografie, weist auf Verbindungen der MGH zum Nationalsozialismus hin und macht zugleich das nach dem Zweiten Weltkrieg vorherrschende misogyne Arbeitsumfeld sichtbar.
Jeremias Fonari ist seit 2022 Mitarbeiter der MGH in den Bereichen Archiv und Digitalisierung sowie Promotionsstudent der historischen Grundwissenschaften. Ein Dissertationsprojekt über die ersten Münzsammler nördlich der Alpen ist in Vorbereitung.
Donnerstag, 19.3.2026, 18 Uhr: „Um Ihren Besuch in Paris beneiden wir Sie sehr …“ – Bernhard Bischoff (1906–1991) in Kriegs- und Nachkriegszeit und seine Kontakte in die internationale Gelehrtenwelt
Online-Vortrag (Zoom) von Jasmin Dorfer, M. A., M. A. LIS
Bernhard Bischoff (1906–1991) gilt bis heute als einer der bedeutendsten Handschriftenforscher des 20. Jahrhunderts. 1933 in München promoviert, gehört Bernhard Bischoff im Gegensatz zu anderen deutschen Wissenschaftlern in die Gruppe derjenigen, die nach dem Krieg sehr schnell in die obere Riege der internationalen Gelehrtenwelt aufstiegen. Die Zeit des Nationalsozialismus scheint seinen Verbindungen ins akademische Ausland keinen Abbruch getan zu haben. Lag es daran, dass sich Bischoff während der Zeit des Nationalsozialismus nichts zu Schulden kommen ließ? Oder möglicherweise an den internationalen Netzwerken, die er vor dem Krieg aufgebaut hatte und die ihn nahtlos weitertrugen? Auch stellt sich die Frage, ob und wie weit die MGH in der Person Friedrich Baetghens versuchten, diese internationale Anerkennung Bischoffs für die MGH zu nutzen.
Jasmin Dorfer ist seit 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den MGH und Promotionsstudentin der mittelalterlichen Geschichte. Ein Dissertationsprojekt über frühstaufische Briefe und Briefsammlungen ist in Vorbereitung. Seit 2024 leitet sie die Bibliothek der MGH.
Um Ihre Anmeldung wird gebeten per E-Mail an annette.marquard-mois@mgh.de. Die Zoom-Zugangsdaten erhalten Sie einen Tag vor der Veranstaltung.